Die
Sissach-Gelterkinden-Bahn

<<Karte
vom Canton Basel>> mit der rot
eingezeichneten projektierten
Linienführung der SCB
durch den Hauenstein-Scheiteltunnel,
Gelterkinden bleibt abseits des neuen
Verkehrsweges...
Die Bahnpläne in
der Mitte des 19. Jahrhunderts
Bereits im Jahr 1850 wurden die beiden
englischen Verkehrsingenieure Robert
Stephenson und Henri Swinburne vom
Bundesrat beauftragt, für die Schweiz
einen BahnIinienplan auszuarbeiten. Für
die Linienführungen in unserer Gegend
standen sich zwei Projektvorschläge
gegenüber:
1.
Basel-Sissach-Läufelfingen, mittels
Scheiteltunnel durch den Hauenstein nach
Olten. Und
2.
BaseI-Sissach-Gelterkinden-Anwil, mittels
Schafmatttunnel nach Aarau, oder:
Gelterkinden-Tecknau-Aarau.
Weil Olten als
Zentrum angesehen wurde und diese
Linieführung billiger war, entschied
sich der Bund für den Vorschlag Nr.1.
Gelterkinden und die oberen Gemeinden des
Ergolztales wurden demzufolge nicht an
das Netz der Schweizerischen Centralbahn
(SCB), wie die Bezeichnung der
Vorgägerin der SBB lautete,
angeschlossen. Am 1. Mai 1858 konnte die
Bahnlinie von Basel via Läufellingen
nach Olten eingeweiht werden.
Die Bewohner des Oberen Ergolztales
verlangten nun eine Zweigstrecke von
Sissach nach Gelterkinden.
Am
27. April 1858 fuhr der erste
Eisenbahnzug der SCB durch den 2495 Meter
langen Hauenstein-Scheiteltunnel
Die Rolle der
Centralbahn-GeselIschaft
Unter der Federführung des einheimischen
Oberrichters Theophil Gerster-Bussinger
(1843-1896) wurde ein lnitiativkomitee
gegründet, welches die Idee einer
normalspurigen Anschlussbahn neu aufnahm,
an deren Baukosten sich die SCB nach den
noch geltenden Konzessionsbestimmungen
übrigens beteiligen musste.
Das Komitee liess
trotz grossen Widerstands seitens der SCB
detaillierte Pläne ausarbeiten. Es
sollten die in Sissach in Reserve
stehenden Lokomotiven für die Führung
der Züge nach Gelterkinden verwendet
werden. In Böckten sollte eine
Haltestelle und in Gelterkinden ein etwas
grösserer Bahnhof gebaut werden. Die
reinen Baukosten veranschlagte das
lnitiativkomitee mit 250000
Franken. Dem traute aber die SCB nicht
und liess ihrerseits umfangreiche
Berechnungen anstellen. Diese kamen zum
Schluss, dass die Bahn keinesfalls
rentieren würde. Fazit: Sie trat aus dem
Komitee aus.
Die vom Bund am
27.Juni 1888 erteilte Konzession war mit
der Auflage verbunden, dass die Linie von
der SCB innert zweier Jahren zu erstellen
sei. Die Enttäuschung bei der
Bevölkerung und den Initianten über
diese kaum realisierbaren Bedingungen war
gross. Dem Komitee blieb deshalb nichts
anderes übrig, als sich für eine
Verlängerung der Konzession einzusetzen
und neue Wege und Mittel zur
Verwirklichung des langersehnten
Bahnanschlusses zu suchen.

Die
SG führte im Eröffnungsjahr acht
Zugspaare zwischen Sissach und Gelterkin-
den. Die Leistung erhöhte sich bis zum
Jahr 1914 auf 15 Retourfahrten pro Tag.
Die
Sissach-Gelterkinden-Bahn (offizielles
Kürzel «SG»)
Im Jahr 1890 gelang
es dann den Initianten, die Berner
Baufirma Pümpin & Herzog,
Gesellschaft für Spezialbahnen, von
ihrem Vorhaben zu überzeugen. Auch die
Kantonsregierung stimmte diesem Vorhaben
zu. Bedingung war jedoch, das Trasse aus
Kostengründen vorwiegend auf die
Landstrasse zu verlegen. Die neue
Konzession vom Bund wurde am 4. Juli 1890
erteilt und nur kurze Zeit später
begannen die Bauarbeiten.

map.search.ch /
J. Ehrbar
Es wurden
Schienen verlegt, Brücken in
Stahlkonstruktion erstellt und Kanäle
vom Homburgerbach und von der Ergolz zum
zukünftigen Bahndepot gegraben. Am
meisten aber staunte die Bevölkerung
über die vielen Baumstämme, die längs
der Schienen in den Boden gerammt wurden.
Als dann an den Masten Kupferdrähte
gespannt wurden, begann man zu ahnen, was
das geben sollte: Die SG sollte mit
elektrischer Kraft betrieben werden. Dies
war für viele damals noch unfassbar.
Ausser der Strassenbahn Vevey-Montreux
und der Bahn von der Grütschalp nach
Mürren verkehrten damals noch keine
elektrisch betriebenen Bahnen in der
Schweiz. Es war erst acht Jahre her, als
ein von Thomas Alva Edison in New York
zur Erzeugung elektrischen Stromes
konstruiertes Kraftwerk ans Netz gegangen
war.

Übliche
Zugskomposition der SG mit Lok, einem CFZ
(Personenwagen mit Drittklass- sowie
Post/Gepäckabteil) und einem BC
(Personenwagen mit Zweit- und
Drittklass-Abteil).
Die erste
elektrische Eisenbahn der Schweiz
Die Maschinenfabrik
Oerlikon konstruierte eine Lokomotive,
die den Ansprüchen der
SG-Verantwortlichen entsprach. Das dafür
notwendige kleine Kraftwerk wurde mit
Wasser aus der Ergolz und dem
Homburgerbach gespiesen. Die Öffnung der
Strecke Sissach-Gelterkinden wurde vom
Bundesrat auf den 17. Mai 1891 hin
bewilligt. Die feierliche Einweihung mit
den Behörden und geladenen Gästen wurde
auf Samstag, den 16. Mai 1891 angesetzt.
Auf dem Bahnhof von Sissach stand die
hübsch bekränzte Zugskomposition mit
der elektrischen Lokomotive bereit für
die erste offizielle Fahrt.

Das
Bähnlimuseum wird von M. Iglesias
betreut und instand gehalten.
Gelterkinden war am
Ziel seiner Hoffnungen angelangt. Man war
stolz auf die Bahn, die jetzt Realität
geworden war. Wenn diese auch bloss
meterspurig und nicht sehr
leistungsfähig war, so konnte man doch
Personen und Güter und, wenn es sein
musste, gut und gern auch mal eine
trächtige Kuh besser, schneller und
billiger befördern als ehedem mit dem
Postwagen. . . .

Der
SG-Bahnhof in Gelterkinden. Blick vom
westlichen Brückenkopf Richtung
Dorfkern.
Wie bei jeder neuen
Bahn, so gab es auch bei der SG Pannen.
Der Herbst 1891 war eine regenarme
Jahreszeit. Die Ergolz und der
Homburgerbach waren nur noch Rinnsale. Zu
allem Überfluss kam noch dazu, dass beim
Bau des Hauensteintunnels verschiedene
Quellen, die auch Wasser in den
Homburgerbach abgaben, abgegraben und
umgeleitet wurden. Im Winter wurde die
Situation noch prekärer und es sah nicht
nach Besserung aus. Der Glaube an die
neue Technik schmolz. Die
verantwortlichen Leute sahen nur einen
Ausweg, und der hiess: Zurück zum
Dampfbetrieb. Als Übergangslösung wurde
eine ältere Dampflokomotive, die schon
beim Bau der Bahnlinie gute Dienste
geleistet hatte, eingesetzt. Diese
Lokomotive war aber auf die Dauer zu
schwach, so dass die Bahngesellschaft
eine stärkere bauen liess. In der Folge
lieferte die Maschinenbaugesellschaft
Heilbronn im Oktober 1893 eine neue
Dampflok mit der Bezeichnung SG Nr.2 (die
alte Dampflok blieb die SG Nr. 1). Eine
weitere Lok mit der Bezeichnung SG Nr. 3
konnte Im Jahr 1896 in Betrieb genommen
werden.

Das Ende der
Sissach-Gelterkinden-Bahn
Nach der
Jahrhundertwende zeigte sich, dass die
Bundesbahn-Linie von Sissach via Sommerau
nach Olten mit ihren starken Steigungen
und dem hochgelegenen Scheiteltunnel von
Läufelfingen nach Trimbach dem immer
mehr zunehmenden Bahnverkehr nicht mehr
gewachsen war. Der Bau eines zweiten
Jura-Durchstiches rückte immer mehr in
den Vordergrund. Bereits im Januar des
Jahres 1912 wurde mit den Arbeiten zum
Bau des Hauenstein-Basistunnels begonnen.
Damit erhielt Gelterkinden nun einen
direkten Anschluss an das Schweizerische
Bahnnetz. Das bedeutete aber auch das
Ende der Sissach-Gelterkinden-Bahn. Die
Einweihung der Hauenstein-Basislinie
erfolgte am 8. Januar 1916.

Letzte
Fahrt, bekränzte Lokomotive mit
Aufschrift:
"Heut
rase ich zum letzen Mal
durchs wunderschöne Ergolztal.
Ich habe meine Pflicht getan
und mache Platz der Bundesbahn.
Adee, ihr lieben Aktionär!
s gibt keine Dividenden
mehr,
ihr denkt gewiss mit stillem Weh
noch lange an die SGB".
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. Dampflokomotiven
Bezeichnung G 2/2 SG Nr. 2 und G
2/2 SG Nr.3
Hersteller
Maschinenbaugesellschaft
Heilbronn
Länge 4.27 m / Leergewicht 7800
kg
Leistung 50 PS /
Höchstgeschwindigkeit 20 km/h
Personen-
und Güterwagen der SG
Personenwagen SG CFZ 1 und 2
Länge 7.80 m / Leergewicht 4140
kg
Sitzplätze 3. Klasse je 12 (½
WagenIänge)
Post- u. Gepäckabteil ½
Wagenlänge
Personenwagen
SG BC 3 und 4
Länge 7.80 m / Leergewicht 4140
kg
Sitzplätze 2. Klasse 12 /
Sitzplätze 3. Klasse 12
Güterwagen
2 Wagen (SG L5 und SG L6)
Länge 5.75 m / Leergewicht 2570
kg
Ladegewicht 5000 kg / Höhe der
Ladewände 0.75 m
Umbau des L5: Der Güterwagen L5
wurde später
zum K5 (einem geschlossenen
Wagen) umgebaut.
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Auszug aus der vom
Verkehrs- und Verschönerungsverein
Gelterkinden im Herbst 2009
herausgegebenen Broschüre: "Zur
Einweihung des rekonstruierten
Trasse-Teilstücks der ehemaligen
Sissach-Gelterkinden-Bahn im
Nachtigallenwäldeli Gelterkinden"
Idee und
Zusammenstellung: Hanspeter Kottmann,
Gelterkinden
Gestaltung und Ausrüstung: Andreas
Bothe, Gelterkinden
Texte und Fotos sind
mehrheitlich der folgenden Publikation
entnommen:
«Sissach-Gelterkinden-Bahn 1891-1916»
von Erich Buser, Friedrich Gysin und
Eugen Schwarz
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